04.04.2022 - Zweierlei Maß
... Das sind starke Signale. Ich habe allerdings meine Zweifel, ob all diese Maßnahmen von moralischen Überzeugungen und ethischen Standards getragen sind. Ich befürchte, dass sie eher opportunistisch der Welle politischer und wirtschaftlicher Sanktionen gefolgt sind, weil es angesichts dieses Krieges unvermeidlich ist, Position zu beziehen. Wer es nicht tut, steht zwangsläufig auf der falschen Seite. Und das kann sich auch der Sport nicht leisten.
Es gibt leider mehr als genug Beispiele für Sportevents in Ländern, die Kriege führen, systematisch und massiv Menschenrechte verletzen, Massenhinrichtungen durchführen oder Arbeiter ausbeuten. Wo Sponsormillionen fließen und zukünftige Märkte auf Erschließung warten, da weist das Rückgrat der Moral meist eine beachtliche Elastizität auf. Beim Grand-Prix von Saudi-Arabien stand zwar ein Boykott im Raum, doch dabei ging es um Fragen der Sicherheit, nachdem ganz in der Nähe der Rennstrecke ein Anschlag auf eine Raffinerie des Ölkonzerns „Aramco“, eines der Hauptsponsoren der Formel 1, verübt wurde. Dass in dem Land gerade erst an einem einzigen Tag 81 Menschen hingerichtet wurden oder dass Frauen noch immer fundamentale Rechte vorenthalten sind, das wurde bestenfalls – aber immerhin – am Rande erwähnt. Die Beteuerung von Formel-1-Boss Stefano Domenicali, die Anwesenheit der Formel 1 helfe solchen Ländern, sich zu öffnen und zu modernisieren, halte ich für naiv oder zynisch. Auf mich wirken die Rennen im arabischen Raum eher so, dass sich dabei ein paar Scheichs ein millionenteures Hobby gönnen.
Aber kritische Stimmen werden zum Glück immer vernehmbarer. In Dschidda mahnte etwa Lewis Hamilton die Einhaltung von Menschenrechten ein. Und in Katar, dem höchst umstrittenen Austragungsland der Fußball-WM im kommenden Jahr, fand beim FIFA-Kongress die norwegische Verbands-Präsidentin Lisa Klaveness ungewöhnlich scharfe Worte. Die Vergabe dieser Weltmeisterschaft sei auf inakzeptable Art und Weise erfolgt. Die FIFA müsse in der Einhaltung ethischer Standards ein Vorbild sein und alles tun, um Veränderung herbeizuführen. Dafür gibt es noch viel zu tun, aber die Richtung stimmt!
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
Wie denken Sie darüber? Welche Erfahrungen haben Sie persönlich gemacht? Schreiben Sie uns Ihre Meinung!