Wenn sich Erfolg nicht richtig anfühlt
... Die Jahre bei diesem Verein seien „die geilste Zeit in meinem Leben“ gewesen, auf die er immer mit großer Dankbarkeit und Stolz zurückblicken werde. Dennoch hängt der noch keine dreißig Jahre alte Kärntner seine Fußballschuhe an den Nagel und beendet seine Profikarriere. Und das nach dem Gewinn der Europa League und dem legendären Auswärtssieg gegen den FC Barcelona im Camp Nou.
Dieser überraschende Rückzug macht mich hellhörig, immerhin können weder Misserfolge noch Verletzungen oder vereinsinterne Spannungen als Beweggründe dafür geltend gemacht werden. „Hinti“ wurde von den Fans geliebt und war eine wichtige Stütze in der Mannschaft. Außerdem wirkte er als Spieler absolut schmerzbefreit, verkörperte das, was man unter Fußballern „ein Viech“ nennt, und hat auf dem Platz ebenso wie außerhalb desselben stets Vollgas gegeben.
Nun zeigt Hinteregger, der sich noch nie ein Blatt vor den Mund genommen hat, eine andere, viel verletzlichere Seite seiner selbst. Er spricht ein Motiv an, das im Profifußball leider ein großes Tabuthema ist, nämlich den unmenschlichen Druck, der auf Spielern in den Top-Ligen lastet, verbunden mit massiven Versagensängsten, was wohl häufiger auftritt als man denkt. Vor einigen Jahren hat etwa der deutsche Nationalspieler Per Mertesacker dieses Tabu aufgebrochen und seine Stresssymptome öffentlich gemacht. In einem Umfeld, wo man keine Schwäche zeigen darf, wo Männlichkeit mit Stärke und Durchsetzungsvermögen gleichgesetzt wird – was im Sport leider noch viel zu oft der Fall ist –, bleibt man mit solchen Erfahrungen ziemlich einsam. Das sollte doch zu denken geben und ein Anstoß sein, solche Tabuthemen bewusst ans Licht zu bringen und auch über strukturelle Veränderungen ins Gespräch zu kommen, die dazu beitragen, dass Spitzensport auch menschlich lebbar bleibt.
So resümiert Martin Hinteregger mit einer Offenheit, die hoffentlich auch eine heilsame Wirkung auf den Spitzenfußball hat: „Es war die beste Saison, die ich jemals gehabt hat, aber ich war nicht mehr glücklich darüber. Es hat sich nicht so angefühlt, wie es das tun sollte.“ Wichtiger als jeder Erfolg ist es, auf das eigene Herz zu hören und der Spur treu zu bleiben, in der ich Mensch sein kann.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
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