02.05.2022 - Voller Mund und volle Hose
... Diesen ließ er nach dem Hinspiel im Semifinale der Champions-League los, das seine Mannschaft gegen das spanische Überraschungsteam aus Villareal zwar souverän, aber doch „nur“ mit 2:0 gewinnen konnte. Er will damit seine Spieler motivieren, die Anspannung für das Rückspiel aufrechtzuhalten, und ihnen klar machen, dass das ersehnte Ziel des Final-Einzugs noch nicht erreicht ist und der Fußball immer für unerwartete Wendungen gut ist. Aus langjähriger Erfahrung weiß er: Wenn man den Mund zu voll nimmt, kann das leicht in die Hose gehen. Entscheidend sind nicht die Worte, sondern die Taten.
Davon kann der Apostel Petrus ein leidvolles Lied singen. Er hat sich vollmundig zu Jesus bekannt und ihm die Treue geschworen. Nur wenige Stunden später hat er ihn verleugnet und im Stich gelassen, hat Angst vor der eigenen Courage bekommen. Seine Erwartungen haben sich nicht erfüllt und sein Plan ist nicht aufgegangen. Er hat erkennen müssen, dass der Weg der Erlösung, wie ihn Jesus im Sinn hatte, dessen „Taktik“, um das Reich Gottes zum Sieg zu führen, ganz anders aussieht, als er es gedacht hat. Er musste lernen, mit seinem Scheitern umzugehen, sich seine Schwachheit einzugestehen und seine Grenzen anzuerkennen.
Doch damit endet diese Geschichte nicht – Gott sei Dank. Auch sie nimmt eine unerwartete Wendung. Auf die schmerzhafte Erfahrung des Scheiterns folgt die Auferstehung, die wir gerade zu Ostern gefeiert haben. Sie zeigt, dass die Taktik Jesu aufgegangen ist, und macht eine neue Begegnung möglich, eine, die nicht von Vorwürfen und Schuldzuweisungen geprägt ist, sondern von Versöhnung, Befreiung und Frieden im Herzen. Der auferstandene Jesus lässt Petrus spüren, dass er trotz seines Versagens und mitsamt seinen Schwächen angenommen und geliebt ist. Und diese Begegnung gibt dem Apostel die Kraft, über sich selbst hinauszuwachsen und sich – ob gelegen oder ungelegen – zu Christus und der Lebenskraft der Frohen Botschaft zu bekennen. Der Blickwinkel der Auferstehung erlaubt es uns, nicht mit voller Hose durchs Leben zu gehen, sondern mutig, aufrichtig und versöhnt. Er bringt uns vielleicht nicht ins Finale der Champions-League, aber er führt uns zu einem erfüllten Leben.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
Wie denken Sie darüber? Welche Erfahrungen haben Sie persönlich gemacht? Schreiben Sie uns Ihre Meinung!
alfred.jokesch@graz-seckau.at oder: sportsgeist@dsg.at