Wenn ich schwach bin, bin ich stark
Er leidet an einer chronischen Verletzung eines Mittelfußknochens, die äußerst schmerzhaft akut geworden ist, und konnte nur mit einer lokalen Betäubung spielen: „Ich habe meinen Fuß nicht gespürt.“ Mit enormer Willenskraft hat er dieses Handicap ausgeglichen und es geschafft, bei seinem 17. Antreten in Paris zum 14. Mal zu triumphieren.
Es kommt ja gar nicht so selten vor, dass Sportler*innen nach Verletzungen, Krisen oder Schicksalsschlägen noch stärker zurückkommen und gerade mit einer Beeinträchtigung zu ganz besonderen, fast übermenschlich erscheinenden Leistungen fähig sind. Vielleicht lässt sich dies so erklären, dass für sie das klaglose „Funktionieren“ ihres Körpers keine Selbstverständlichkeit mehr ist, dass sie sich bewusster damit beschäftigen, was ihnen hilft und gut tut, dass sie achtsamer mit ihrem Körper umgehen und ihr Menschsein stärker in seiner Ganzheit in den Blick nehmen. Gerade das, was nicht nach Plan läuft, ist ja meist eine Botschaft an mich, auf Aspekte meines Lebens hinzuschauen, die ich bisher vernachlässigt habe. Wenn ich es verstehe, auf diese Botschaft hinzuhören, und den Mut habe, sie anzunehmen, dann kann sie zu einem Impuls werden, der meinem Leben eine neue Richtung und Tiefe gibt, der mir hilft, als ganzer Mensch zu wachsen und auch in einer größeren Demut auf das Leben zu schauen.
Der Apostel Paulus spricht davon, dass ihm ein Stachel ins Fleisch gestoßen wurde, damit er nicht überheblich wird angesichts der außergewöhnlichen Offenbarungen, die ihm zuteil geworden sind (vgl. 2 Kor 12,7). Er geht nicht näher darauf ein, worin dieser Stachel besteht, doch dieser Stachel hat ihm deutlich gemacht, dass alles, was er vollbringen kann, letztlich Gnade ist und nicht sein eigenes Verdienst. Indem er sich seiner Schwachheit bewusst wird, kann die Kraft Gottes auf ihn herabkommen. Er sagt: „Die Kraft wird in der Schwachheit vollendet.“ (2 Kor 12,8) Und: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ (2 Kor 12,10) Dieses scheinbare Paradoxon gilt es in unserem Leben aufzulösen. Je besser ich meine Schwachheit annehmen und mich mit meiner Unvollkommenheit aussöhnen kann, desto besser kann ich mich den Kraftquellen Gottes öffnen. Und desto stärker werde ich.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
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