In die Höhe streben
Mit seinen Freunden erklomm er den Mont Blanc, den Gran Paradiso und viele weitere Gipfel der Westalpen. „Jeden Tag neu verliebe ich mich in die Berge“, soll er geschwärmt haben. Und: „Ich möchte ganze Tage auf den Gipfeln verbringen, um in dieser reinen Luft die Größe des Schöpfers zu betrachten.“
Das Bergsteigen war für Frassati jedoch nicht bloß Hobby und sportliches Abenteuer. Er nahm es als Bild und Ausdruck eines spirituellen Weges, als Metapher für das Leben und den Glauben. Hier wie dort komme es darauf an, den Aufstieg zu wagen, nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben und stets nach oben zu streben. Und mit Aufstieg hatte der junge Mann nicht Karriere und Wohlstand im Blick, es ging ihm darum, das Menschsein in all seinen Facetten auf eine höhere Stufe zu heben.
Dabei war dem Sohn einer großbürgerlichen Familie eine glänzende berufliche Laufbahn gleichsam in die Wiege gelegt. Der Vater war Journalist und Politiker, Mitbegründer der liberalen Zeitung „La Stampa“ und einige Jahre Botschafter in Berlin, die Mutter war Künstlerin. Doch Pier Giorgio schlug einen anderen Weg ein. Schon als Schüler begeisterte er sich für den Glauben, besuchte täglich die Messe und las geistliche Bücher. Das war seine Kraftquelle und sein Antrieb im Leben.
Früh interessierte er sich für die brennende soziale Frage anfangs des 20. Jahrhunderts, als die beginnende Industrialisierung auch Armut und Elend nach Turin brachte. Ohne dass seine Familie es bemerkte, besuchte er abends Kranke und Sterbende und versorgte Bedürftige mit Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten. Dabei war er gut vernetzt in katholischen Laienorganisationen, Studentenbewegungen und politischen Jugendverbänden. Im Juni 1925 erkrankte er an Kinderlähmung und bat darum, dass die für ihn bestimmten Medikamente an „seine Armen“ weitergegeben würden. Einen Monat später starb er.
Bis heute inspiriert Pier Giorgio Frassati vor allem junge Menschen. Jene, die ihn gekannt hatten, waren von seinem fröhlichen Wesen, seiner Geradlinigkeit, seinem tiefen Glauben und seiner inneren Freiheit angetan. Wirklich zu leben und nicht bloß dahinzuvegetieren war seine Devise. Man könne nicht „verso l’alto“ leben, wenn man den Blick auch nur gelegentlich nach unten richtet.
Heute gibt es weltweit „Frassati-Gruppen“, die Gebet, sozialen Einsatz und Naturerlebnisse verbinden. Auch sein bergsteigerisches Vermächtnis ist begehbar: In Italien gibt es 22 Wanderwege, die nach Pier Giorgio Frassati benannt sind. Papst Leo XIV. erinnerte bei den Heilig-Jahr-Feiern für den Sport im Juni an ihn: „Sein einfaches und leuchtendes Leben erinnert uns daran, dass niemand als Champion geboren wird, so wie niemand als Heiliger geboren wird. Es ist das tägliche Training der Liebe … das uns dazu befähigt, am Aufbau einer neuen Welt mitzuwirken.“
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
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